Pflege von Angehörigen – Wichtige Sorgearbeit auf Kosten von Frauen

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Vereinbarkeit von Familie und Beruf – da denken die meisten Menschen sofort an die Betreuung von (kleinen) Kindern und den eigenen Haushalt. Eine oft sehr schwierige Aufgabe, die mit der Zeit zum Glück leichter wird, wenn die Kinder größer und selbstständiger werden. Doch zur Familie gehören auch Eltern, Schwiegereltern und der eigene Partner. Werde diese älter und pflegebedürftig, kommt es für viele Menschen und ganz besonders Frauen erneut zu großen Problemen mit dem Thema Vereinbarkeit.

Vorweg ein paar wichtige Zahlen: Der Anteil pflegebedürftiger Menschen steigt kontinuierlich an. Waren es, laut den Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) im Jahr 2001 noch 2,04 Millionen pflegebedürftige Menschen, so stiegen die Zahlen im Jahr 2011 bereits auf 2,50 Millionen und 2021 auf inzwischen 4,95 Millionen an. Schaut man sich die Versorgung genauer an, so wurden im Jahr 2021 über 80 % der Menschen zu Hause gepflegt (21 % mit der Hilfe von ambulanten Pflegediensten und 63 % durch ihre Angehörigen). Die Prognose für die nächsten Jahrzehnte stimmt durch die demografische Entwicklung sehr nachdenklich. Auch hier zeigen die Daten des Statistischen Bundesamtes eine Steigerung der pflegebedürftigen Menschen bis 2055 auf etwa 6,8 Millionen Menschen.

Tritt ein Pflegefall ein, übernehmen meist Frauen die Pflege (altes Rollenbild). Nach einem Gutachten des Sozialverband Deutschland aus dem Jahr 2019 leisten zu 70 % Frauen die Pflege von Angehörigen. Dabei müssen sie in 65 % ihre eigene Erwerbstätigkeit mit der Pflege vereinbaren und aus diesem Grund oft ihre Arbeitsstunden reduzieren oder ganz aufgeben. Neben Betreuungs- und Erziehungszeiten für Kinder und Care-Arbeit betrifft auch die Pflege deutlich mehr Frauen. Dies bedeutet nicht nur eine zum Teil große physische und psychische Mehrbelastung, sondern auch finanzielle Einschnitte und ein erhöhtes Risiko im Bereich der Altersarmut. Zwar gibt es Pflegegeld und (unter bestimmten Voraussetzungen) für die Pflege von Angehörigen auch Beiträge zur Rente, doch sind diese Maßnahmen in der Regel deutlich zu niedrig und helfen den Frauen weder in der aktuellen Situation, noch in der später bei ihrem eigenen Rentenbezug.

Nicht viel besser sieht es im Bereich der ambulanten und stationären Pflege aus, wenn wir einen Blick auf die Geschlechterverteilung werfen. Im Jahr 2022 lag der Frauenanteil in dieser Berufsbranche bei 82 % (Statista). Zwar stiegen in den letzten Jahren die Einkommen in diesem Bereich, doch die anspruchsvollen Arbeitszeiten und die körperliche Belastung sorgen dafür, dass Pflegefachkräfte nur in Teilzeit tätig sind und ein massiver Fachkräftemangel herrscht. Besonders im Bereich der Pflege ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehr schwierig und zwingt viele Frauen zu einer deutlichen Reduzierung der eigenen Arbeitszeiten.

Fakt ist: In den nächsten Jahrzehnten wird die Zahl der pflegebedürftigen Personen weiter steigen und Frauen leisten schon jetzt einen großen Teil der Arbeit. Mit den daraus entstehenden finanziellen Konsequenzen werden sie in vielen Fällen alleine gelassen und versuchen jeden Tag neu, allen Verpflichtungen gerecht zu werden. Das ist kein Dauerzustand und es kann nicht weiter akzeptiert werden, dass Frauen sich um Kinder und Haushalt kümmern sollen, in Vollzeit einer Beschäftigung nachgehen und nebenbei auch noch die Pflege von Angehörigen übernehmen. Das kann nicht funktionieren und hier braucht es ein gesellschaftliches Umdenken. Genau wie in der Betreuungs- und Erziehungsarbeit müssen mehr Männer die Pflege von Angehörigen übernehmen und es braucht noch bessere und nachhaltige Ideen und Möglichkeiten, um die Pflege wertschätzend und ohne finanzielle Nachteile zu unterstützen. Die ganze Last und Verantwortung den Frauen zu übertragen, ist keine Lösung für dieses generationenübergreifende Problem.