Geringfügige Beschäftigungen als Sackgasse für Frauen

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Geringfügig entlohnte Beschäftigungen sind den meisten Menschen ein Begriff. Die sogenannten 520-Euro-Mini-Jobs (Stand 2023) erfreuen sich bei Student*innen, Rentner*innen und vielen Frauen besonderer Beliebtheit, denn es müssen vom Arbeitnehmer weder Steuern noch Sozialabgaben gezahlt werden und die Rechte im Falle von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder dem Anspruch auf Urlaub, sind ähnlich wie bei festangestellten Arbeitnehmer*innen. Für die Arbeitgeber fallen lediglich Pauschalabgaben an. Doch die Nachteile sollten nicht vergessen werden. Minijobber*innen haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil sie keine Beiträge zahlen. Gleiches gilt für die Krankenversicherung, in der aber oft die kostenfreie Mitversicherung über den Ehepartner in der Familienversicherung möglich ist. Die am häufigsten unterschätzte Konsequenz einer geringfügigen Beschäftigung betrifft jedoch die Rentenversicherung. Zwar sind Minijobber*innen in der Rentenversicherung pflichtversichert, doch sind die erworbenen Rentenansprüche sehr gering oder bei einer Befreiung auf Antrag überhaupt nicht vorhanden. Das Risiko für Armut im Alter ist sehr hoch.

Doch was hat das alles mit Frauen zu tun? Im Jahr 2022 waren laut den Daten von Statista rund 7,61 Millionen Menschen in Deutschland geringfügig beschäftigt. Davon waren 4,34 Millionen Frauen. Besonders Frauen mit Kindern entscheiden sich immer noch häufig für einen Minijob, um Familie und Beruf zu vereinbaren und etwas eigenes Geld zu verdienen. Im ersten Moment mag dies für viele Frauen ein Gewinn sein, denn die wöchentlichen Arbeitszeiten halten sich in Grenzen, es bleibt genug Zeit für die Kinder und Care-Arbeit, sie verdienen etwas Geld und sind über den Ehepartner kostenlos in der Familienversicherung krankenversichert. Auf den ersten Blick sind dies alles verlockende Anreize, keiner regulären Beschäftigung nachzugehen.

Die Konsequenzen erleben die meisten Frauen erst viel später. Laut einer Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung finden nur etwa 40 % der geringfügig beschäftigten Frauen den Weg zurück in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Dort müssen sie sich oft mit weniger Gehalt zufriedengeben, da Minijobs als weniger qualifiziert angesehen werden. Im Falle einer Trennung vom Partner ist schnell die Existenzsicherung der Frauen in Gefahr. Die Abhängigkeit (Geld, Krankenversicherung) wird von den meisten Frauen leider ignoriert.

Aus feministischer Sicht und zum Wohle der Frauen sind geringfügige Beschäftigungen sehr kritisch zu sehen. Sie fördern die finanzielle Abhängigkeit und das traditionelle Rollenbild. Die beruflichen Risiken für zukünftige reguläre Erwerbstätigkeiten sind sehr hoch und überwiegen bei weitem den Ersparnissen und falschen Anreizen im ersten Moment. Die Rentenansprüche, die im Rahmen eines Minijobs erworben worden sind so gering, dass keine Frau davon im Alter leben kann. Auch diesen Punkt verdrängen viele Frauen, wenn es um die Wahl einer geeigneten Erwerbstätigkeit geht.

Wenn wir echte Gleichstellung und Gleichberechtigung erreichen wollen, dann müssen die strukturellen Bedingungen geändert und angepasst werden. Dazu gehört der Ausbau und die qualitative Verbesserung der Kinderbetreuung, welche es den Müttern ermöglicht, einer regulären Beschäftigung nachzugehen. Außerdem sollte es in Zukunft nicht die alleinige Verantwortung der Mütter sein, ihre Arbeitszeiten an die Betreuung der Kinder anzupassen, sondern es braucht eine familienfreundliche Lösung, in der die Eltern gleichberechtigt eingebunden werden. Falsche Anreize wie das Ehegattensplitting und die kostenfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung müssen abgeschafft und dafür die unbezahlte Care-Arbeit aufgewertet werden. Männer müssen stärker in die Betreuung eingebunden sein und Familien gesellschaftlich, aber auch politisch nachhaltiger unterstützt werden. Es kann nicht sein, dass Frauen ihre Berufstätigkeit, ihre finanzielle Freiheit und ihre Rentenansprüche aufopfern, um sich um ihre Kinder und alle anfallenden Arbeiten zu kümmern, damit Männer ungestört Karriere machen und in Vollzeit ohne Einschränkungen arbeiten gehen können. Der Staat ist gefragt und sollte diese Vorgehensweise mit falschen Anreizen und der Benachteiligung von Frauen nicht noch honorieren. Und dann wäre da natürlich auch noch die Wirtschaft, die in bestimmten Branchen aus ökonomischen Gründen verstärkt auf geringfügige Beschäftigten setzt. Dazu zählen laut den Daten der Knappschaft Bahn See (2019) vor allem der Handel, das Gastgewerbe und das Gesundheits- und Sozialwesen. Veränderungen und neue strukturelle Möglichkeiten sind eine große Gemeinschaftsaufgabe, von der aber die gesamte Gesellschaft auf Dauer profitieren kann.