Fehlende Kinderbetreuung bedeutet auch fehlende Gleichstellung

Teil 1 - Ein erster Überblick

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Eigentlich wollte ich nur einen Beitrag über die aktuelle Betreuungssituation in deutschen Kindertagesstätten (Kitas) schreiben. Um den Beitrag fachlich noch besser zu untermauern, nahm ich Kontakt mit der Leiterin einer Kita auf und was ich in den darauffolgenden 2,5 Stunden unseres Gespräches zu hören bekam, verschlug mir tatsächlich die Sprache. Schnell wurde mir klar, dass dieses Thema so wichtig und breit gefächert ist, dass ein einziger Beitrag dazu nicht reichen wird. Aus diesem Grund entschloss ich mich, eine Beitragsreihe zu schreiben und das Problem aus vielen verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Denn eine fehlende Betreuungsmöglichkeit hat ganz massive Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und das Familienleben. Aber der Reihe nach! In Deutschland besteht grundsätzlich für jedes Kind ab dem 1. Geburtstag und bis zur Einschulung ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Das hört sich erst einmal sehr gut an und gibt den Eltern die nötige Sicherheit, wieder zurück in ihren Beruf zu gehen und das eigene Kind trotzdem in guter Betreuung zu wissen.

Soweit die Theorie, doch nun folgt der praktische Teil und der ist leider mit viel Frust, Enttäuschung und zum Teil auch Verzweiflung verbunden. Laut einem Bericht der Bertelsmann Stiftung aus dem Oktober 2022 fehlen für das kommende Jahr rund 384.000 Plätze in Kitas in ganz Deutschland. Damit verbunden fehlen knapp 100.000 Fachkräfte, die als Erzieherinnen und Erzieher dringend benötigt werden. Doch wie soll mit einer solch großen Lücke im Personalbestand überhaupt ein Rechtsanspruch möglich sein? Ist das nicht ein Widerspruch? Fakt ist, dass die Träger der Kitas verzweifelt neue Erzieherinnen und Erzieher suchen, doch ähnlich wie in der Berufsgruppe der Pflegerinnen und Pfleger fehlt es an entsprechenden Fachkräften und die auch nicht kurzfristig ausgebildet werden können.

Doch zurück zu den Eltern, die für ihr Kind einen Kitaplatz suchen. Den Wunsch nach einer ganz bestimmten Kita können die meisten Eltern gleich zu Beginn ihrer Suche aufgeben. Zumindest in sehr bevölkerungsstarken Gegenden und Großstädten sind die meisten Familien froh, wenn sie überhaupt einen Platz in erreichbarer Nähe erhalten. Denn der Rechtsanspruch sieht zwar eine Entfernung von max. 5 km vor, doch in der Realität fahren viele Eltern deutlich weiter und müssen ihre Kinder zum Teil sogar auf unterschiedliche Kindergärten aufteilen. Das erfordert eine wahnsinnig gute Organisation und frisst Zeit, die von der Erwerbsarbeit wieder abgezogen werden muss. Und das geht in großen Teilen zulasten der Frauen, die ihre Arbeitszeiten oft anpassen, um die Kinder pünktlich zur oder von der Kita abholen müssen.

Dass diese schwierige Situation nicht spurlos an den Kindern, Erzieher*innen und Eltern vorbeigeht, dürfte verständlich sein. Je dünner die Personaldecke ist, umso stärker muss improvisiert werden und ein solcher Zustand ist für alle Beteiligten unbefriedigend und mit Einschränkungen an der Qualität verbunden. Manche Erzieher*innen ziehen die persönliche Reißleine vor dem totalen Zusammenbruch und kündigen, was die Personalsituation natürlich zusätzlich erschwert. Auch die Eltern geraten immer stärker unter Druck und können sich nicht mehr auf eine geregelte und zuverlässige Betreuung ihres Kindes verlassen. Rituale wie z.B. das Basteln von Laternen zum St. Martinsumzug müssen entfallen und das einzelne Kind erhält nicht mehr die Aufmerksamkeit, die es vielleicht dringend bräuchte.

Natürlich gibt es in Deutschland auch Gebiete, in denen sich Angebot und Nachfrage nach Kitaplätzen im Gleichgewicht bewegen und keine Defizite in der Betreuung oder den Arbeitsbedingungen für die Erzieher*innen spürbar sind. Doch diese meist ländlichen Regionen spiegeln leider nicht den Alltag in deutschen Kitas wider. Kitas sind zu riesigen Baustellen geworden! Es fehlt an Personal und vor allem an Geld. Eltern fehlen eine sichere Perspektive und die Verlässlichkeit auf eine konstante Betreuung. Und für die Kinder ein Ort, an dem sie einfach Kind sein können und von Erzieher*innen betreut werden können, ohne schlechtes Gewissen und zusätzlichen Verpflichtungen.

Im nächsten Teil möchte ich euch die Problematik aus Sicht einer Kitaleiterin näher erläutern und welche Ideen und Ansätze sie hat, um die schwierige Situation in deutschen Kitas zu verbessern.