Ich erinnere mich noch gut an den ersten Arbeitstag nach der Geburt meines Sohnes. Er war 5 Wochen alt und ich stand an einem recht kühlen Apriltag in einem zugigen Stall und behandelte ein Pferd mit Rückenproblemen. Zum damaligen Zeitpunkt arbeitete ich noch als selbstständige Pferdephysiotherapeutin und Osteopathin. Da stand ich also, als frische Neumama und war einfach nur glücklich und zufrieden. Ich liebte meinen Sohn und die Rolle als Mutter, aber ich freute mich auch sehr, wieder meinem Beruf nachzugehen.
Meine Kundinnen und Kunden waren froh, dass meine „Geburtspause“ nur einige Wochen dauerte und meine Familie stand komplett hinter mir und meiner Entscheidung! Das war ein tolles Gefühl. Interessanterweise kamen kritische und missgünstige Kommentare häufig von anderen Müttern, was ich überhaupt nicht verstehen konnte. Bereits damals zeigte mir diese persönliche Erfahrung, dass für die Rolle als Mutter in unserer Gesellschaft völlig falsche Erwartungen vorliegen.
Eine gewisse Selbstaufgabe von Müttern wird aufgrund noch immer stark ausgeprägter traditioneller Rollenbildern von Frauen erwartet. 100 % Fokus und Hingabe für das eigene Kind, werden als Beweis für eine gute Mutterschaft gesehen. Da passt eine Erwerbstätigkeit nicht in das „perfekte“ Bild einer fürsorglichen Mutter. Überhaupt sollten wir in der heutigen Zeit andere Vorstellungen von einer Bezugsperson für ein Kind haben. Babys und kleine Kinder brauchen diese Personen, aber es muss nicht 24/7 die eigene Mutter sein, sondern es darf auch der Vater, die Großeltern oder eine andere vertraute Person sein.
Mütter haben ein Recht darauf, über ihre persönlichen und beruflichen Bedürfnisse individuell entscheiden zu können. Ohne Kommentare, schiefe Blicke oder Nachteile! Vielleicht sollten wir als Gesellschaft auch mehr von Elternschaft und weniger von Mutterschaft sprechen? Dazu gehört eine aktive und gleichberechtigte Betreuung von Müttern und Vätern und die Wertschätzung von Care-Arbeit.
Für diese Veränderung braucht es die Zusammenarbeit von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Es erfordert ein Umdenken, das die Bedürfnisse und Rechte von Müttern als selbstverständlich anerkennt und die Möglichkeiten für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf schafft.
Rückblickend bereue ich meine Entscheidung nicht. Ich liebte meinen damaligen Beruf, genauso wie meine heutige Tätigkeit. Und ich liebe meine Rolle als Mutter. Beides erfüllt mich mit großem Stolz und sehr viel Zufriedenheit. Aus meinen Kindern sind inzwischen tolle Teenager geworden und wir haben auch die Pubertät tapfer durchgestanden 😜 .
Natürlich muss jede Frau für sich und ihre Familie selber den richtigen Weg finden. Aber ich bin davon überzeugt, wenn eine Mutter glücklich und zufrieden ist, dann sind es auch die Kinder!